Wissenschaftlich belegt: Hoher Solarertrag
Solaranlagen in den Alpen dürfen nicht gegen Solaranlagen im Unterland ausgespielt werden. Beide Anlagetypen haben Vor- und Nachteile und ergänzen sich. Aber: Hochalpine Anlagen, so zeigt die Wissenschaft, sind äusserst effizient.
Im Nachgang der Pariser Klimakonferenz 2015 hat der Bundesrat 2019 beschlossen, dass die Schweiz bis 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Diese Netto-Null Emissionen bis 2050 bedingen eine rasche Entkarbonisierung. Der Verzicht auf fossile Brennstoffe erhöht den Bedarf an erneuerbarem Strom. Um die von der Schweiz gesetzten Klimaziele zu erreichen, muss bis 2035 eine jährliche Photovoltaik-Produktion von mindestens 39 Terawattstunden erreicht werden. Heute sind es rund 3 Terawattstunden.
«Die Wetterdaten von Grengiols-Solar unterstützen die Beurteilung möglicher Naturgefahren.»
Peter Aschilier —
Verantwortlicher Regionaler Sicherheitsdienst
Photovoltaik im Unterland
Im Unterland gibt es zwar zahlreiche Dachflächen und weitere Infrastrukturen, die mit PV-Panels bestückt werden könnten. Das Potenzial ist vorhanden. Nur: Dieses Potenzial rechtzeitig zum Beispiel auf Dächern und an Fassaden von Firmen und Privatliegenschaften umsetzen zu können, ist ohne Obligatorium nicht realistisch. Selbst mit entsprechenden Obligatorien würde es viel zu lange dauern, um die gesetzten Klimaziele der Schweiz erreichen zu können.
Umsetzbares Potenzial sehr viel tiefer
In der Schweiz liegt das theoretische Potenzial für PV-Anlagen auf Dächern bei 55 000 Gigawattstunden pro Jahr, bei Fassaden bei 15 000 Gigawattstunden, zusammen also bei etwa 70 000 Gigawattstunden. Um die Klimaziele der Schweiz rechtzeitig erreichen zu können, müssten bis 2035 insgesamt 95 Prozent aller Schweizer Dächer mit PV-Anlagen ausgestattet sein. Soweit die Theorie. Untersuchungen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigen, dass bei bisherigen Anlagen das PV-Potenzial auf Dächern nur knapp zur Hälfte ausgeschöpft wurde. Da bis 2035 bei weitem nicht alle Gebäude mit PV-Anlagen ausgerüstet sein dürften, rechnet die ZHAW damit, dass sich von den 70 000 Gigawattstunden nur 10 000 bis 20 000 Gigawattstunden realisieren lassen. Betrachten Sie dazu das Video:
Nur ein Bruchteil des Potenzials im Unterland lässt sich umsetzen. Ausführungen von Professor Jürg Rohrer vom 22.02.23 an einer Veranstaltung von Swissolar.
Photovoltaik in Hochalpen
Die Schweiz benötigt insbesondere während der Wintermonate Strom, der heute in der Regel aus dem Ausland importiert werden muss. Speziell im Gebirge lässt sich dank reichlich Sonne, wenig Nebel, tiefen Temperaturen und Reflexionen an der Schneeoberfläche auch im Winter viel Strom erzeugen. Testanlagen (z.B. Alpine Anlage: Totalp Davos, Unterland-Anlage: Wädenswil) zeigen, dass der Jahresertrag einer Solaranlage in den Alpen etwa eineinhalb- bis zweimal höher ist als im Mittelland. Zudem fällt bei einer Anlage im Gebirge etwa die Hälfte der Jahresproduktion im Winter an, bei einer Anlage im Unterland ist es ein Viertel. Demnach kann pro Fläche im Gebirge etwa drei- bis viermal so viel Winterstrom erzeugt werden wie im Mittelland.
Langzeitmessungen der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigen: Der Solarertrag in alpinen Gebieten ist im Winter weit höher als im Unterland. Die graublaue Kurve zeigt den Ertrag einer Testanlage im Unterland (Wädenswil, ZH), die braune Kurve den Ertrag einer Testanlage auf 2500 Metern Höhe (Totalp bei Davos).
Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, muss die Schweiz ihr Energiesystem bereits bis 2035 dekarbonisieren. Das ist nur mit einem stark beschleunigten Ausbau der Photovoltaik möglich. Dazu ist der forcierte Ausbau von Solaranlagen im Unterland wie auch in den Alpen nötig.
Vor- und Nachteile
Freistehende Solaranlage in den Alpen
Vorteile
Mehr Sonnenstunden, höhere Produktion
Mehr Winterstrom pro Fläche
Grossflächige Anlagen aufgrund Platzverhältnissen
Vorhandene Fachkräfte lassen sich effizienter einsetzen (Wenige bauen grössere Anlagen)
Wenige Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich für eine Anlage entscheiden müssen
Zubau relativ rasch möglich
Nachteile
Landschaftsbild beeinträchtigt
Hohe Investitionskosten
In Infrastruktur integrierte Solaranlage im Unterland
Vorteile
Vorhandene Infrastrukturen werden genutzt
Keine Beeinträchtigung der Landschaft
Tiefere Investitionskosten
Gesellschaftliche Akzeptanz gegeben
Nachteile
Weniger Sonnenstunden, tiefere Produktion
Weniger Effizienz, da nur kleine Flächen verfügbar
Viele Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich für eine Anlage entscheiden müssen, kann Realisierung verzögern
Quellen
J. Rohrer, «Ausbau der Stromproduktion aus Photovoltaik in der Schweiz: Bedarf, Potential und Umsetzung», Juli 2020, doi.org/10.21256/zhaw-2654.
D. Anderegg, S. Strebel, J. Rohrer, «Photovoltaik-Potenzial auf Dachflächen in der Schweiz Synthese aus Sonnendach.ch und einer repräsentativen Stichprobe an Dachbelegungen», Juni 2022, doi.org/10.21256/zhaw-2425
ZHAW, «Alpenstrom Davos», ZHAW Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen IUNR. www.zhaw.ch/de/lsfm/institute-zentren/iunr/oekotechnologienenergiesysteme/erneuerbare-energien/solarenergie/alpenstrom-davos
D. Anderegg, S. Strebel, J. Rohrer, «Photovoltaik Versuchsanlage Davos Totalp Messergebnisse Winterhalbjahr 2020/2021», ZHAW, IUNR Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Wädenswil, Messbericht, Mai 2021.
Das Schweizer PV-Potenzial basierend auf jedem Gebäude: https://www.researchgate.net/publication/332013577_Das_Schweizer_PV-Potenzial_basierend_auf_jedem_Gebaude
Winterstromstudie BFE: https://opendata.swiss/de/dataset/studie-winterstrom-aus-photovoltaik-produktionsprofile-aller-schweizer-gemeinden
Potential for Building Integrated Photovoltaics: https://iea-pvps.org/wp-content/uploads/2020/01/rep7_04.pdf
Solarstrom auf Infrastrukturanlagen und Konversionsflächen: https://f.hubspotusercotent40.net/hubfs/7195893/Studie%20InfraSolaire_Endbericht.pdf
Alpenstrom jetzt!: https://www.kulturen-der-alpen.ch/downloads